Palliative Atempädagogik

Atempädagogik bietet viele Möglichkeiten die Lebensqualität von schwer kranken und sterbenden Personen zu verbessern.

Der Atemrhythmus einer Person ist etwas ganz Individuelles. Daher sind  Berührungsangebote, die genau mit dem Atemrhythmus  gehen, sehr wirksam. Es entsteht eine einfühlsame, nonverbale Kommunikation, die über den Körper auch die seelischen und geistigen Kräfte des Menschen anspricht.

  • Das autonome Nervensystem beginnt zu regulieren, oft kommt Seufzen, Aufatmen, der Ausatem verlängert sich, die Person wird ruhiger.
  • Das Loslassen von belastenden Gedanken wird möglich.
  • Der Körper kann für die PatientIn wieder auch zu einer Quelle von Wohlgefühl werden.
  • Die Schlafqualität verbessert sich.

Für Schwerkranke biete ich Hausbesuche an. Ein erstes Kennenlern-Gespräch kostenfrei.

Fr. M ist 83 Jahre alt, nach mehreren Schlaganfällen wird sie seit einiger Zeit von zwei 24h-Betreuerinnen zu Hause gepflegt. Frau M.’s Tochter hat mich auf Empfehlung der Leiterin des Palliativteams angerufen, weil ihre Mutter oft  Atemnot hatte. Als Atempädagogin habe ich Erfahrung mit dem Beruhigen von Atemrhythmen durch Berührung.

Im Folgenden beschreibe ich eine der ersten Atemstunden (Hausbesuche) mit Fr. M.

Fr. M. liegt auf dem Rücken in ihrem Bett, als ich ins Zimmer komme. Ihre Augen sind weit geöffnet, ihre Hände halten die Bettdecke sehr fest. Ich begrüße Fr. M, gebe ihr die Hand. Dann beuge ich mich zu ihrem linken Ohr hin (das andere hört kaum mehr)  und erkläre ihr, dass ich  versuchen werde ihr zu helfen, ihren Atem zur Ruhe zu bringen. Ich bitte sie, sich eine Hand auf die Körpermitte zu legen und frage, ob das in Ordnung ist, wenn ich mit meinen Händen ihre Schulter halte. Fr. M. nickt. Ihr Atem ist schnell, unruhig und wechselhaft, der Einatem wirkt impulsiv und angestrengt, der Ausatem ist kurz. Sie wirkt erschrocken.

Ich lege nun meine rechte Hand unter ihr Schulterblatt, die linke oben auf die Vertiefung zwischen Brustkorb und Schlüsselbein. Ich beuge mich wieder zu Fr. M’s linkem Ohr und bitte sie, nun und zu meinen Händen hin zu spüren, vielleicht die Augen zu schließen. Ich halte die Schulter eine Weile zwischen meinen Händen. Dann bewege ich sie sehr langsam, kreisend (um Anspannung im Gelenk zu lösen) – dann gebe ich  mit der oberen Hand direkt mit dem Ausatem leichten Druck nach unten. Nun warte ich ruhig ein, zwei Atemzüge ab und gebe wieder etwas Druck mit dem Ausatem, warte wieder, unterstütze wieder den Ausatem.

Nach 1 bis 2 Minuten wird der Atemrhythmus langsamer. Der Ausatem  ist länger geworde, der Einatem wirkt gelöster.
Ich lasse meine Hände nun ruhig liegen und gebe nur noch hie und da dem Ausatem einen sanften Impuls. Ich nehme Fr M’s zweite Hand und lege sie ihr auf die Körpermitte, lege meine Hand darauf und bitte Fr. M. diesen ruhigen Atemfluss unter ihren Händen zu spüren und mit ihrer Aufmerksamkeit dabei zu bleiben.

Ich arbeite mit der anderen Schulter und frage dann, ob es ihr recht wäre, wenn ich mich noch ein wenig um die Füße kümmern würde. Als sie nickt, gehe ich zum Fußende des Bettes. Ich nehme zuerst den linken Fuß auf, halte die Ferse in meiner linken Hand, die Fußsohle liegt ganz an meinem Unterarm auf. Ich, streiche mit meiner rechten Hand dann langsam vom Sprunggelenk bis zu den Zehen. Dann lege ich die Hand oben auf den Fuß, halte diesen und schaue, wie der Atem jetzt gerade fließt. Da die Atembewegung wieder etwas schneller geworden ist, gebe ich mit beiden Händen mit jedem 2. Ausatem sanft aber deutlich Druck auf verschiedene Stellen des Fußes. Wieder regiert der Atem, der Rhythmus verlangsamt sich, der Einatemimpuls  wird gelasseneer. Nach einer Weile entsteht sogar eine kurze Ruhepause nach dem Ausatem. Ich löse meine Hände vom linken Fuß, nehme den rechten Fuß auf, mit dem ich in gleicher Weise arbeite. Abschließend lege ich eine Hand auf Fr.M.’s Hände Der Atem fließt nun deutlich ruhiger. Als ich meine Hand wegnehme, öffnet Fr. M. die Augen, sieht mich an und fragt: „Wann kommen Sie wieder?“

In den folgenden Monaten habe ich ein bis zwei Hausbesuche pro Woche bei Fr. M. gemacht – ich habe sie begleitet im „Nach-innen-Spüren“.

Wir haben auch die Stimme genützt, um ein Loslassen des oft festgehaltenen Ausatems ein zu üben. Gemeinsam haben wir „M“, „A“ und „JA“ getönt. Durch das langsame, auch noch von meinen Händen unterstützte, Ausatmen hat sich der Atemrhythmus immer beruhigt. Die Phase von Kurzatmigkeit war nach etwa vier Wochen vorbei. Fr. M. wollte weiterhin Atemstunden nehmen und wir haben wieder das „Nach-innen – Spüren“, das  achtsame Wahrnehmen von Körper und Atem geübt. Es sind so etwas wie wortlose Gespräche entstanden: zwischen meinen Händen und dem Atemrhythmus von Fr. M., der auf meine Berührungsangebote „geantwortet“ hat.